20 May, 2021Vor der Hauptversammlung kritisieren Gewerkschafter aus aller Welt die schlechten Arbeitsbedingungen bei Fresenius und seinen internationalen Unternehmenstöchtern. Der deutscher DAX 30-Konzern steht seit langem in der Kritik wegen Steuerflucht und Korruption.
Vor der Jahreshauptversammlung von Fresenius und Fresenius Medical Care (FMC) übt die Fresenius Global Union Alliance, ein Bündnis von Gewerkschaften aus der ganzen Welt, scharfe Kritik an dem Medizinkonzern. Der Vorwurf: Das Unternehmen verletze weltweit grundlegende Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte. Außerdem gäbe es immer wieder Fälle von Korruption und eine systematische Steuerflucht über bekannte Steueroasen wie die Cayman Islands.
„Auf dem Rücken der Beschäftigten Gewinne zu maximieren, sie in Steueroasen zu verschieben und in Form immer weiter steigender Dividenden an die Aktionäre weiterzureichen – die Fresenius-Spitze zeigt ein klares Verhaltensmuster: Profite stehen an erster Stelle, auch wenn Arbeitsbedingungen und Versorgungsqualität darunter leiden“,
sagt Cordula Kiank von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.
Das Fresenius-Management hat für das vergangene Jahr einen Gewinn vor Steuern in Höhe von insgesamt 4,6 Milliarden Euro gemeldet, für die Hauptversammlung am 21. Mai 2021 wurde die höchste Dividende ankündigt, die Fresenius jemals ausgeschüttet hat. Den Preis für diese Bilanz müssten die Beschäftigten zahlen, kritisieren die Gewerkschaften und fragen, wie die größte Dividende aller Zeiten ausgeschüttet werden kann, während man gleichzeitig massive strukturelle Einschnitte ankündige. Aus ihrer Sicht könne nur ein internationales Rahmenabkommen zur Einhaltung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten die Fresenius-Beschäftigten weltweit schützen.
Gewerkschaften aus Kolumbien berichten, dass in den letzten zwei Jahren über 1.000 Gewerkschaftsmitglieder und Aktivisten sozialer Bewegungen ermordet wurden. Die Gewerkschaftsvorsitzende und Fresenius-Mitarbeiterin Claudia López Hernández erhielt eine anonyme Morddrohung.
"Auch nach wiederholter Aufforderung hat sich Fresenius geweigert, die Morddrohung öffentlich zu verurteilen. Fresenius hat sich nicht geäußert, geschweige denn Maßnahmen ergriffen, um meine Sicherheit zu garantieren, noch die aller Fresenius-Mitarbeitenden, die ihr Recht auf gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit wahrnehmen wollen",
sagte Claudia López Hernández, Vorsitzende der Gewerkschaft Sintraclínica Medellín.
In einer anderen kolumbianischen Einrichtung kam Fresenius einer Anordnung des Obersten Gerichtshofes nicht nach und weigerte sich außerdem einen Tarifvertrag auszuhandeln. Beschäftigte berichten, dass ihre Arbeitsbedingungen weiterhin gegen staatliche Vorschriften und Tarifverträge verstoßen. Kritik kommt auch aus Brasilien: Die brasilianische Gewerkschaft CNTSS beklagt schlechte Arbeitsbedingungen, fehlende Materialien und Ausrüstung, übermäßig lange Arbeitstage, niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden und die Missachtung der Tarifverträge in FMC-Kliniken.
Missstände gäbe es nicht nur in Südamerika. In Kalifornien habe Fresenius seine Beschäftigten zu Beginn der Pandemie nicht darüber informiert, dass sie Covid-positive Patienten behandeln, obwohl es dem Unternehmen bekannt war. Mehrere Pflegekräfte und Patienten hätten sich infiziert. Das lokale Management habe außerdem verkündet, Beschäftigten zu kündigen, wenn sie mit der Gewerkschaft über Probleme im Zusammenhang mit Covid-19 in FMC-Kliniken sprechen würden.
In Polen wurde 2015 in den FMC-Einrichtungen eine Gewerkschaft wegen der systematischen Verletzung von Arbeitnehmerrechten gegründet. Seitdem wende das Management verschiedene Taktiken an, um die gewerkschaftliche Organisation zu blockieren. Trotz der Bestätigung wiederholter Verstöße durch nationale Behörden habe das Management sein Verhalten nicht geändert.
In den USA musste das Unternehmen 231 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil Untersuchungen zahlreiche Bestechungen in 15 Ländern nachwiesen und der Konzern in anderen Ländern seine Bücher nicht sauber führte. Das führte 2019 dazu, dass FMCs Vorstände und Aufsichtsräte zwar wiedergewählt wurden, jedoch nur 56,8% bzw. 52,3% Zustimmung der Aktionäre erhielten.